Dr. Schneider: Warum fällt es manchen Menschen leichter als anderen, auf ihr Wunschgewicht zu kommen?
Wie so manches im Leben ist das zunächst mal eine Frage der Veranlagung. Es gibt Konstitutionstypen, die haben einfach einen anderen Stoffwechsel, einen genetischen Vorteil. Das hilft natürlich bei der Fettverbrennung. Auch andere Gründe spielen eine Rolle: Essverhalten, Stress, und natürlich die Motivation und Selbststeuerung.
Sie sagen, die Motivation ist ein entscheidender Aspekt beim Abnehmen. Wie motiviere ich mich denn am besten, wenn ich nachhaltig Pfunde verlieren will?
Das kann – und ehrlich gesagt – will ich nicht pauschal beantworten. Meine Position dazu ist aber folgende: Mit dem Gießkannenprinzip wird es nicht klappen. Es gibt kein motivationales Einheitsrezept. Dazu sind Menschen viel zu verschieden. Leider wird das so gerne immer wieder propagiert. Und leider sind Menschen dafür auch empfänglich. Alles erreichen, am besten schon letzte Woche.
Psychologisch ist es so: Je nach Motivationstyp kann eine Maßnahme produktiv oder destruktiv sein. Der Clou am Abnehmwunsch ist ja, dass Sie mit den Ihnen zur Verfügung stehenden Motivationsressourcen arbeiten müssen, nicht gegen sie. Das setzt aber voraus, dass Sie erst einmal verstehen, wie Motivation bei Ihnen zustande kommt.
Sie unterscheiden verschiedene Motivations-Typen und schlagen vor, dass man sich je nach Persönlichkeit auch speziell zum Abnehmen motivieren sollte. Warum ist das so?
Vereinfacht ausgedrückt haben die verschiedenen Motivationstypen eine unterschiedliche “psychische Architektur”. Diese Architektur bestimmt, was Sie tun oder lassen sollten. Ich begreife Persönlichkeit aber viel umfassender als das traditionell gemacht wird. Es nützt wenig, einfach nur eindimensionale Persönlichkeitseigenschaften zu nehmen und z.B. zu sagen “Sie sind extravertiert, gehen Sie unter Leute und lenken Sie sich ab”. Jeder Typ hat bestimmte Motivatoren, die ihn antreiben. Also braucht er auch ein ganz spezielles “Abnehm-Umfeld”, die diese Motivatoren aktivieren. Wenn Sie so wollen, ist das ein Schlüssel-Schloss-Prinzip.
Eine neue Studie hat gezeigt, dass die „Friss-die-Hälfte-Methode“ immer noch die effektivste Diät ist. Tatsächlich gibt es aber eine Unmenge ausgeklügelter Methoden, die trotzdem häufig nicht funktionieren. Ist es am Ende alles eine Frage des Durchhaltens?
Die Studie würde ich gerne einmal genau anschauen. Es ist trivial, dass eine drastische Kalorienreduktion den Körper in eine Energieschuld bringt. Mit anderen Worten: Wenn es nicht mehr genug zu futtern gibt, muss der Körper an die eigenen Reserven ran.
Das Problem ist nur, dass der Organismus das sehr schnell als Notsituation interpretiert und dann an Reserven geht, die man eigentlich erhalten will. Was Sie also am Anfang verlieren, ist Wasser, dann Muskeln. Ihr Fett reduziert sich aber nicht maßgeblich. Das ist der Grund, warum ich nach der Studie fragte. Wie lange war der Untersuchungszeitraum? Wogegen wurde getestet? Welche Personen wurden in die Studie eingeschlossen, etc.? Aber zurück zu Ihrer Frage. Ohne Beständigkeit geht es nicht, zumindest nicht, wenn man sein Äußeres nachhaltig verändern will. Wer anderes verspricht, ist unseriös. Es gibt natürlich auch chemische Keulen. Die funktionieren aber nur solange, wie man sie anwendet. Aber der Witz ist ja eigentlich, dass man sein Verhalten unter eigene Kontrolle bekommen muss. Sonst bleibt man abhängig. Über Nacht wird niemand dick. Auch das ist ein längerer Prozess. Genauso ist das mit dem Abnehmen.
Sie empfehlen keine Diät, sondern raten zu einem bewussten Umgang mit der Ernährung. Was leistet denn Ihre Methode dabei?
Viele Menschen haben keine oder nur eine ungefähre Ahnung davon, was Sie tun müssen, um dauerhaft abzunehmen. Meine Methode hilft zu verstehen, wie jemand motiviert wird und warum es für ihn oder sie vielleicht bislang so schwer war, durchzuhalten.
Wohlgemerkt, es geht mir nicht um den moralischen Zeigefinger. Tatsächlich definieren unsere Kunden selbst, was für ein Abnehmziel sie anpeilen wollen. Meine Methode hilft, die richtigen psychologischen Weichen zu stellen, dass es effizienter klappt.
Was halten Sie von den Stereotypen und Vorbildern, die uns beispielsweise über Medien suggeriert werden (Stichwort Size Zero). Wie wirken solche Vorbilder auf die Motivation? Und was halten Sie persönlich davon?
Zweierlei: Sie sind “wirksam”, weil sie einen großen Einfluss auf Menschen ausüben. Und sie sind gefährlich. Man macht aus keinem Käfer einen Porsche. Ich kenne z.B. einige Menschen mit Essstörungen. Dreimal dürfen Sie raten, welchen Idealen sie nacheifern.
Motivationspsychologisch kann das Pendel in zwei extreme Richtungen ausschlagen: Man geißelt sich selbst und lebt ein Leben voller Entbehrungen. Oder man scheitert immer wieder am Versuch, weil das Ziel einfach nicht realistisch ist. Das gibt der Motivation dann regelmäßig einen ordentlichen Dämpfer und macht jeden neuen Versuch umso schwerer. In beiden Fällen geht es den Menschen nicht gut dabei.
Dr. Rainer Schneider ist Psychologe und Persönlichkeitstrainer. Er betreibt eine Praxis in Freiburg und ist gefragter Redner auf Kongressen und wissenschaftlichen Tagungen, die sich mit der Wechselwirkung von Psyche und Gesundheit befassen. Zudem ist Dr.
Schneider gefragter Unternehmensberater und beispielsweise tätig für die Bundesärztekammer. 2011 entwickelte Schneider die MOVE-Methode. MOVE hilft Menschen, entsprechend ihrer persönlichen Stärken auf ein Ziel hinzuarbeiten. Je nach Persönlichkeitstyp bekommt der Anwender ein speziell zugeschnittenes Programm.